Wo das Leben sprudelt
Die Stadt Donaueschingen ist über Baden-Württemberg hinaus vor allem Reitern und Vertretern zeitgenössischer Musik ein Begriff. Jedes Jahr im Oktober trifft sich hier die internationale Avantgarde zeitgenössischer Tonkunst zu den Donaueschinger Musiktagen. Und alljährlich geben sich die Anhänger des Reitsports zu Turnieren in den fürstenbergischen Parkanlagen ein Stelldichein. Donaueschingen ist seit 2012 anerkannter Erholungsort, der neben beschaulichen Seiten auch viel Kulturelles zu bieten hat. Denn im Laufe der Jahre hat sich die Stadt durch eine geglückte und lebendige Verbindung aus Tradition und Fortschritt zu einem modernen Lebensraum entwickelt. Ausschlaggebend war das im Jahr 2006 vom Gemeinderat angeregte Kulturkonzept, in dem Bürger, Vereine und Institutionen eingebunden wurden und einen neuen Weg suchten zwischen der Residenzgeschichte und der bürgerlichen Emanzipation.Daraus hervor ging unter anderem das Museum Art.Plus, in dem zeitgenössische Kunst und Kul-tur in alten Gemäuern gezeigt wird, einer der Programmpunkte unseres Stadtbesuchs.
Auftakt an der Donauquelle
Der 2.840 Kilometer lange Strom der Donau überwindet Staatsgrenzen, hat an seinen Ufern Kulturvölker entstehen lassen und ist, wie sein Beiname besagt, zu „Europas Schicksalsstrom“ geworden. In Donaueschingen hat er seinen Ur-sprung. „Brigach und Breg bringen die Donau zuweg“: den Spruch kennt hier jedes Schulkind. Am südöstlichen Stadtrand von Donaueschingen, beim Brigachweg, ist ihr Zusammenfluss zu sehen.
Nach einer geographischen Regel soll alleine dem längsten Zufluss das Privileg zukommen, als Quellfluss zu gelten. Demgemäß wäre das die Breg mit ihrer Quelle bei Furtwangen im Schwarzwald, die mit ihren 48 Kilometern der Brigach eine Na-senlänge von mehreren Kilometern voraus ist. Sei’s drum, sind doch die Unklarheiten längst beseitigt. Die Lokalisierung Donauquelle, heute am Fuß des Hügels der Stadtkirche
St. Johann zu finden, wurde längst als solche historisch bestimmt und durch Quellen in alten Geschichtsbüchern belegt. (Unter www.donaueschingen.de/donauquelle ist mehr über die Historie, die Forschung und die Neusanierung zu erfahren.)
Die hoch aufragende Figurengruppe an der jüngst sanierten Donauquelle trägt den Titel: „Die Baar“, deutet ihrer jungen Tochter, der Donau, den Weg in die Ferne“. Schöpfer des 1896 aus Marmor errichteten Werks war der Bildhauer Adolf Heer. Sein Beitrag folgte einer im Jahre 1875 erneuerten, schöner und aufwändiger gestalteten Quellfassung im Schlossgarten. Nach dem Schlossbrand im Jahre 1828 und folgender Veränderung der Ummauerung vom Eckigen ins Runde, blieb die Donauquelle seither im Wesentlichen unverändert. Was hier bis heute aus der Erde sprudelt, ist auf eine besonders starke Karstaufstoßquelle zurückzuführen, die sich durch versickertes Regenwasser aus dem Schwarzwald speist und sozusagen zur Belebung der Stadt beiträgt. Am 25. Juni ist das „Donauquell Fest“ angesagt, in dessen Rahmen die offizielle Einweihung der sanierten Donauquelle sowie des sanierten Residenzviertels bei Musik und Kulinarik erfolgt.
Eine Bresche für die Kunst
Das schön renovierte, klassizistische Gebäude, in dem sich das Museum Art.Plus befindet, liegt in unmittelbarer Nähe zur Donauquelle und zum Schlosspark. In jährlich einer großen und bis zu drei kleineren Wechselausstellungen bietet das Museum einen abwechselungsreichen Einblick in zeitgenössisches Kunstgeschehen auf internationalem Niveau. Mit einer Vielfalt an aktuellen Positionen und durchaus auf Augenhöhe wird hier auch regionale Kunst präsentiert. Jenseits der Schnelllebigkeit unserer Zeit möchte das Museum Art.Plus zudem ein Ort kultureller Begegnung sein. Gelegenheit dazu gibt das auf die jeweiligen Ausstellungen abgestimmte Veranstaltungspro-gramm mit Performances, Künstlergesprächen, Konzerten und Filmvorführungen. Hinzu kommt die Braukunst. Aus Donaueschingen stammen auch ausgezeichnete, weithin geschätzte Biere. In der Fürstlich Fürstenbergischen Brauerei an der Haldenstraße werden sie aufs Feinste abgestimmt. Hier wurde übrigens eines der ersten Pilsener Biere Deutschlands gebraut, von dessen Qualität sich schon Kaiser Wilhelm II. bei einem Besuch in Donaueschingen überzeugen konnte. Heute werden Führungen durch den Brauereibetrieb und das Brauerei-Museum geboten, mit abschließender Verkostung von drei Biersorten, die zu den besten Deutschlands gehören sollen. In jedem Sinne nicht weit ist es von der Braue-rei zum Zunft-Museum der „Narrenzunft Frohsinn“, zu finden in einem Gebäude des ehemaligen fürstlichen Sennhofs, an der Sennhofstraße.Seit Mitte der 1990er Jahre ist es Heimstatt für alte Donaueschinger Hanselhäser, Gretletrachten sowie andere Zeignisse zur Geschichte der alemannischen Fasnet. Auch die alte Baaremer Tracht mit der unter dem Kinn gebundenen schwarzen Haube und den lang herabhängenden Moirébändern, wie sie heute noch von Frauen in Hüfingen, Löffingen und Donaueschingen getragen wird, sind zu besichtigen.
Ein Stadtrundgang durch Gegenwartund Geschichte
Was uns an diesem Tag unwiderstehlich ins Freie lockt, ist der schöne Maientag. Er lädt uns ein zum Flanieren, erst durch die große Fürstlich Fürstenbergische Parkanlage, dann durch die Stadt, wo vielerorts Spuren der Geschichte präsent sind. Wir streifen vorüber an dem prachtvollen Schloss, gehen in Richtung Karlstraße, bewundern hier das Jugendstilensemble, gehen vorüber am „Hanselbrunnen“, am „Kapfererhaus“ und kommen zum Rathausplatz, wo wir uns vor dem „Musikantenbrunnen“ in die Sonne setzen und ausruhen, um dabei Gegenwart und Geschichte auch vor dem inneren Auge Revue passieren zu lassen.Im Jahr 1488 erwarben die aus dem Schwäbischen stammenden Grafen von Fürstenberg das Schloss und das Dorf Donaueschingen von der Witwe von Habsberg und deren Söhnen. Nach und nach ausgebaut zur stattlichen Residenz, erhielt das Schloss sein heutiges Aussehen erst durch eine Umgestaltung in den Jahren 1893 bis 1896. Im Karlsbau, unweit des Schlosses, sind heute die Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen untergebracht. Sie zeigen all das, was die Familie im Laufe der Geschichte an Schätzen zusammengetragen hat, vom 200 Millionen Jahre alten Saurierknochen bis hin zum Reiseurinal Kaiser Napoleons und andere Reminiszenzen aus der Geschichte des Hauses Fürstenberg. Hinzu kommt eine naturkundliche Ausstellung sowie die Gemäldesammlung der Fürstenbergs. Allerdings sind bewährte Hauptattraktionen wie Gemälde von Lucas Cranach d. Ä., Matthias Grünewald und Hans Holbein d.Ä. sowie der Wildensteiner Altar ausgelagert worden. Mit „Fürstenberg zeitgenössisch“ fördert eine neue Abteilung Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die dabei sind, sich einen Namen zu machen.
Die Stadt Donaueschingen und das Haus Fürstenberg sind seit dem 15. Jahrhundert untrennbar und stark miteinander verbunden. Die Donaueschinger Residenz vereint den repräsentativen Anspruch eines Schlosses mit dem Wohnkomfort einer Villa der Belle Epoque, alles unter dem Vorzeichen eines französisch geprägten Stilempfindens. In der deutschen Schlösserlandschaft steht es dadurch einzigartig da. (Führungen sind übrigens von April bis September nur für angemeldete Gruppen von mindestens 10 Personen möglich.) Die großzügig angelegte Fürstlich Fürstenbergische Park-nlage, das ganze Jahr über zugänglich, ist durchzogen von Wasserläufen, auf denen sich, wie bei unserem heutigen Besuch,Enten im Sonnenlicht tummeln. Prächtige alte Bäume, blühende Gärten und viele Denkmäler begegnen uns bei einem Spaziergang durch diese wunderbare, um 1820 im französischen und englischen Stil angelegte Parkanlage.In der Umgebung von Donaueschingen kann auch den Spuren nachgegangen werden, die die Römer hinterlassen haben. Von ihrer hohen Badekultur zeugt das Kastellbad in Hüfingen, geöffnet von Mai bis Oktober. Zudem ist Hüfingen bekannt für seine Internationalen Töpferwochen mit einem Töpfermarkt von August bis September.
Ins WeitoffeneWie hieß es an der Quelle im Stadtpark so schön? „Die Baar deutet ihrer jungen Tochter, der Donau, den Weg in die Ferne“. Weit hin in die Ferne, bis zum Schwarzen Meer. Doch gehen wir noch einmal zurück zu Brigach und Breg, die die Donau zuweg bringen, womit alles seinen Anfang nimmt. Wenn die beiden Donauzuflüsse sich vereint haben, den Schwarzwald hinter sich lassen und vor der weiten Hochfläche der Baar ans Licht treten, wird der von tiefen Wäldern bedeckte Buntsandstein des Gebirges vom Muschelkalk abgelöst. Diese kargschöne Landschaft, mit der Stadt Donaueschingen als geographischer Mittelpunkt, ist ein in 700 – 800 Meter Meereshöhe gelegenes Becken. Mit ihrer weithin offenen Hochfläche ist die Baar auch eine rauhe Gegend, wo es „drei Viertel im Jahr Winter und ein Viertel Jahr kalt ist“, wie ein alter Spruch aus dem Volksmund besagt. Das mag mit dem Klimawandel sich etwas geändert haben, harren doch die Markierungsstangen neben den Landstraßen auch hier bisweilen vergeblich auf Schnee. Aber die heftigen Schneeverwehungen über der Hochfläche sind für Einheimische eine bleibende Erinnerung.Die weiten Horizonte der Baar erscheinen uns nach einer Fahrt durch tiefe Schwarzwaldtäler schier unermesslich. Da kann man in die zeitlose Stimmung über dem Donauried eintauchen oder zur Steigerung des Hochgefühls die Ausblicke vom längst erloschenen Vulkankegel des Wartenbergs, von Fürstenberg oder Öfingen aus bis weit hinab über die Baar genießen. Allesamt sind das für die Randbereiche der Baar charakteristisch abgeplattete Berggipfel, von denen aus zu sehen ist, wie die Donau weit im Osten das Kernstück der Baar durch eine enge Bergpforte verlässt und dieses „Land der weiten Horizonte“ nun doch begrenzt. Der Jura-Zeugenberg Lupfen ist mit seinen 977 Metern die höchste Erhebung im Schwarzwald-Baar-Kreis. Er umfasst den Südosten des Mittleren Schwarzwalds, den nördlichen Teil des Randen sowie die prägende Landschaft der Baar und damit das gesamte Gebiet zwischen Schwarzwald und schwäbischer Alb.Auf der „Baarblick-Route“, ein empfehlenswerter Rundwanderweg, liegt der Ort Fürstenberg. Das Dorf war seit dem 13. Jahrhundert Stammsitz der Fürsten zu Fürstenberg und lag ursprünglich auf der gleichnamigen Erhebung. Nachdem das Dorf 1841 durch einen Großbrand zerstört worden war, bauten die Bewohner das neue Fürstenberg am Fuße dieses Berges wieder auf. Die landschaftlich schöne Lage des Ortes eröffnet einen überwältigenden Blick über die gesamte Baar, was den Herren sicher ursprünglich ein Grund war für ihre Ansiedlung, auch war das Anrücken des Feinds, den es immer und für jeden gab, weithin auszumachen. Auf dem Gipfel des Fürstenbergs befindet sich als eine Gedenkstätte die Kardinal-Bea-Kapelle. Sie wurde erbaut im typischen Stil eines Baaremer Hauses und soll an die Bauernhäuser des alten Dorfs erinnern. An der Nordwestseite des Fürstenbergs befindet sich ein interessanter „Geografischer Lehrpfad“, auf dem geografische sowie geologische Zusammenhänge vermittelt werden. Der Fürstenberg ist heute auch ein beliebtes Ziel von Drachenfliegern.
Ein schöner Ausklang
Wir fahren nach dem langen, anregenden Ausflugstag zum Gasthaus Jägerhaus auf dem Buchberg, wo wir den Tag ausklingen lassen möchten. Ruhig im Wald gelegen, bietet es die beste Voraussetzung dafür. Dabei sind wir nur etwa 2 Kilometer vom Ortszentrum entfernt. Nach der Ankunft erfahren wir, dass das Restaurant nicht mehr allgemein offen ist, sondern nur noch für Besucher, die auch im Gästehaus übernachten. Das wusste offenbar derjenige, der uns den Tipp gegeben hat, noch nicht. Wir erkundigen uns und haben Glück, dass gerade noch ein Zweibettzimmer im Gästehaus frei ist und beschließen, hier zu übernachten. Nachdem wir uns in einem der gemütlichen Gasträume gestärkt und entspannt haben, lassen wir die Eindrücke, die wir gesammelt haben, noch einmal Revue passieren. Erfrischend ist der abschließende Waldspaziergang.
Infos:
www.donaueschingen.de
www.hüfingen.de
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