Viel mehr als ein Wirtschaftszentrum
Der Schwarzwald liegt noch nicht weit hinter uns, da breitet sich schon Deutschlands größter See in seiner ganzen Weiträumigkeit vor uns aus. Stellenweise von solch einer Ausdehnung, dass in der Ferne sogar die Erdkrümmung zu erkennen ist, und noch weiter im Süden die schneebedeckte Kette der Alpen. Eine begnadete Landschaft, die Hochgefühle erzeugt. Unser Ziel ist diesmal Friedrichshafen, nach Konstanz die zweitgrößte Stadt am Bodensee. Wir haben vor, mit dem Katamaran, der erst seit einigen Jahren zwischen Konstanz und Friedrichshafen im Stundentakt verkehrt, überzusetzen. Es ist einer dieser klaren Tage unter fast wolkenfreiem Himmel, der dem Bodensee eine tiefblaue Farbe verleiht. Es geht ein Wind, wie er zum weiten Wasser gehört, unzählige kleine sich kräuselnde Wellen bildend, auf denen sich das Licht unendlich und sprühend bricht. Und darüber hinweg zieht der Katamaran mit seinem Doppelrumpf und daher geringer Wasserverdrängung so zügig und luftig-leicht, dass man fast meinen könnte übers Wasser zu fliegen. Die grandiose Ausdehnung des Sees und der weithin gewölbte Luftraum darüber hat hier schon manche große Träume wahr werden lassen. Einen besonderen Traum vom Fliegen hat sich Ferdinand Graf von Zeppelin (1838-1917) mit dem nach ihm benannten gigantischen Luftschiffen verwirklicht. Das erste lenkbare Starrluftschiff, wie es in der Fachsprache heißt, baute der Graf nach Plänen des Ingenieurs Theodor Kober, Pläne, die andere für verrückt und undurchführbar hielten. Nachdem sich am 2.Juli 1900 der erste Zeppelin von Friedrichshafen-Manzell aus in die Lüfte über dem Bodensee erhoben hatte, war die Stadt mit einem Schlag weltberühmt. In den folgenden Jahren wurden auf der Luftschiffswerft weitere 129 Zeppeline montiert und flugfertig gemacht, 102 davon gingen, wie das schon immer mit technischen Errungenschaften gewesen ist, ans Militär. Der größte entwickelte Zeppelin aller Zeiten, das Luftschiff LZ 130, besaß eine Länge von 245 Metern. Die damaligen Zeppeline hatten ein Aluminiumgerippe, in das mit Wasserstoff gefüllte Zellen eingefügt wurden. Das machte die fliegenden Zigarren zwar leichter als Luft, barg aber auch eine große Gefahr.
So kam es am 6.Mai 1937, vor jetzt genau 75 Jahren, zum Unglück von Lakehurst/USA. Drei Tage zuvor war das Luftschiff LZ 129, das den Namen „Hindenburg“ trug, zu seiner ersten Nordamerika-Fahrt jenes Jahres aufgebrochen. Kurz vor der Landung stürzte es über der Piste ab und brannte in einer knappen Minute aus. Wie durch ein Wunder konnten noch 62 von den 97 Personen, die sich in der Gondel befanden, gerettet werden. Aber mit dem Luftverkehr sowie dem weiteren Bau von Zeppelinen war es erst einmal für lange Zeit vorbei. Dieses und noch viel mehr ist über die Giganten der frühen Luftfahrt im Zeppelin-Museum Friedrichshafen zu erfahren, das 1996 neu eröffnet wurde. Es befindet sich im ehemaligen Hafenbahnhof, ein angenehm heller und klarer Gebäudekomplex im Bauhausstil. Im Zeppelin-Museum befi ndet sich die originalgetreue Nachbildung eines 33 Meter langen Teilstücks der „Hindenburg“, in das man durch das Fallreep eintauchen kann, um die Glanzzeiten der „fliegenden Silberzigarren“, ihre einstigen Fahrten rund um die Welt nachzuempfinden. Neben der weltweit größten Sammlung zur Geschichte und Technik der Zeppelin-Luftschifffahrt gibt es eine Kunstabteilung, die sich auch aus zeitgenössischer Sicht dem Mythos Zeppelin widmet. Nach dieser kleinen Abschweifung nähern wir uns dem Nordufer des Bodensees, kommt Friedrichshafen schon in Sicht. Und wie zur Begrüßung bestellt sehen wir über uns einen silberweiß glänzenden Zeppelin, der gerade auf den See hinaus, fast lautlos davon schwebt. Mein Begleiter sagt, er sei schon in einem dieser Zeppeline der neuen Generation geflogen, die erst wieder seit dem Jahr 2001 durch die Lüfte schwebten und eine neue Ära eingeleitet hätten. Die neuen Zeppeline seien jetzt mit Helium aufgeblasen und im Gegensatz zu den Vorgängern schwerer als Luft, außerdem mit ihren gerade mal 75 Metern viel kleiner als diese. Immer im Bauch vollgepackt drehen diese Kleinzigarren ihre Runden über den Bodensee. Im Angebot sind insgesamt elf Routen, die Flugdauer bewegt sich zwischen dreißig Minuten und zwei Stunden. Die Flüge führen auch bis zum Alpenvorland sowie in die Schweiz und nach Österreich.
Durch die großen Panoramafenster habe man eine grandiose Sicht auf die Bodensee-Landschaft, die ja schon alleine einzigartig sei. Wer könnte da widersprechen, man ist ja längst überwältigt davon. Der Katamaran nähert sich schon dem Hafen, schwenkt mit stark gedrosselter Geschwindigkeit ein zu den Anlegestellen. Die Passagiere haben sich alle vorne an der Reling versammelt, in freudiger Erwartung, an Land zu gehen. Auffallend linker Hand, nahe dem Ufer, das schöne barocke Schloss mit den hohen Türmen der zugehörigen Kirche. Sie zählt zu den berühmten oberschwäbischen Bauwerken des Barock, wie man dem Reiseführer entnehmen kann, und ist Friedrichshafens Wahrzeichen. Am Hafen reihen sich einladende Straßencafés. Es ist der innerstädtische Bereich der Uferpromenade, bekanntermaßen eine der längsten und schönsten am Bodensee. Sie führt von der Mündung des Flüsschens Rottach bis zum Schloss und bietet einen phänomenalen Rundblick über den Bodensee bis hinüber zu den schneebedeckten Alpen. Auf halber Strecke befi ndet sich der Hafen für alle Fahrgastschiffe, darunter auch die „Weiße Flotte“ sowie eine Autofähre in die Schweiz. Außerdem kommt man an der Ausbesserungswerft für Bodenseeschiffe, dem Gondel- und dem Yachthafen vorüber, und nicht zu vergessen die Vorführhallen der „Interboot“- Messe. Zieht man neben dem Zeppelin-Museum noch das Dornier-Museum am Flughafen, ein architektonisch herausragendes Bauwerk, in Betracht, könnte sich der an Luft- und Schifffahrt Interessierte schon alleine hiermit ein ausfüllendes Tagesprogramm gestalten. Am Yachthafen ist auch das „Klangschiff“ des Breisacher Künstlers Helmut Lutz vor Anker gegangen, und das auf Dauer. Lutz hat das phantastische Gefährt der Bodenseegemeinde und damit der Öffentlichkeit überlassen. Zuvor war es noch nach Sarajewo, Friedrichshafens Partnerstadt, gereist. Während des jährlich im Sommer stattfindenden „Kulturufers“ wird das „Klangschiff“ immer wieder in künstlerisch- musikalische Veranstaltungen einbezogen. Die Stadt hat viel aus sich gemacht, alle Achtung. Das wird einem erst zur Gänze klar, wenn man ihre Geschichte bedenkt, ihren Aufschwung im Laufe der Industrialisierung, ihren Niedergang durch die Ereignisse des 2.Weltkriegs und ihr erneutes Hochkommen danach, das dem Bild vom Phönix aus der Asche gleichkommt. Mit ihren 200 Jahren ist Friedrichshafen eine der jüngsten Städte am Bodensee, denn erst 1811 gründete König Friedrich von Württemberg Friedrichshafen als seine Sommerresidenz.
Mit dem ersten Dampfschiff, das 1824 von hier aus den Hafen verließ sowie durch den Aufstieg des ersten Zeppelin- Luftschiffes am 2.Juli 1900 begann in Friedrichshafen eine industrielle Entwicklung, die bis heute wirksam ist. Doch der ab jener Zeit einsetzende wirtschaftliche Segen wurde zum Fluch, wurde im 2.Weltkrieg jäh unterbrochen durch die fast komplette Zerstörung der Stadt und ihrer Industrieanlagen. Man sieht das Friedrichshafen bis heute noch an, wer die historische Altstadt von Meersburg kennt, sollte das bei einer Besichtigung bedenken. Mit dem Wiederaufbau nach dem Krieg musste sich Friedrichshafen erst einmal als Stadt neu erfinden. Das Anknüpfen an glorreiche Zeiten gelang, und mit erneut einsetzender wirtschaftlicher Prosperität wurde es Friedrichshafen auch ermöglicht, sich neue Aufgaben zu setzen, deren Ergebnisse dem Besucher dieser Tage zu gute kommen. Neben den Angeboten zu Technik und Geschichte, lässt sich hier alles zwischen Natur- und Kulturerleben auf erstrangige Weise finden. Erwähnenswert wäre noch vieles, das Freizeitangebot lässt in Friedrichshafen nichts zu wünschen übrig. Ob man sich nun gerne zu Fuß oder auf dem Fahrrad, zu Land, zu Luft oder zu Wasser bewegt, Stadt und Umgebung lassen sich auf unterschiedlichste Weise erkunden. Zu nennen wäre besonders der Bodenseepfad, der durch das Eriskircher Ried, dem größten Naturschutzgebiet des nördlichen Bodensees führt. Im ehemaligen, umgestalteten Bahnhofsgebäude von Eriskirch wurde ein Naturschutzzentrum mit einer Dauerausstellung eingerichtet. Ausgangspunkte des Pfades sind der Hafenbahnhof, die Jugendherberge an der Rotach und das schöne, weitläufige Strandbad, wo man sich hernach erfrischen kann. Zu den Besonderheiten zählen auch die Ausfahrten mit den Bodenseefischern. Wobei man allerding früh aufstehen muss, jedoch alleine schon reich belohnt wird durch die Stimmung auf dem See bei Tagesanbruch, das farbenprächtige Aufgehen der Sonne über dem kühlen, spiegelglatten See. „Felchen essen ist ein leichtes, Felchen fangen schon viel schwieriger“, lautet das Motto. Berufsfischer zeigen, wie man bei Tagesanbruch die Netze einholt, die abends ausgelegt wurden.
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